Die Kehrseite der KI-Rekrutierung: Top-Talente ungewollt ausgesiebt
Künstliche Intelligenz (KI) transformiert grundlegend das Verfahren, mit dem Unternehmen ihre Rekrutierungsprozesse gestalten – doch nicht immer zum Besseren.
In einem Artikel von Charlotte Lytton auf BBC.com wird die Wirkung von KI-gesteuerten Plattformen im Rekrutierungsprozess untersucht.
Es zeigt sich, dass diese Technologien, entgegen ihrer Absicht, Effizienz zu steigern und Vorurteile zu eliminieren, oft qualifizierte Bewerber ausschließen und bestehende Vorurteile sogar verstärken können.
Dieser Beitrag fasst die zentralen Erkenntnisse zusammen und diskutiert ihre Implikationen für die Zukunft der Arbeitswelt.
Die Herausforderungen der KI im Rekrutierungsprozess
- Ein IBM Survey aus dem späten Jahr 2023 ergab, dass 42% der Unternehmen weltweit KI-Technologien zur Verbesserung ihrer Rekrutierungs- und Personalprozesse einsetzen.
- Weitere 40% ziehen eine Integration solcher Technologien in Betracht.
Künstliche Intelligenz, so die Hoffnung, könnte Vorurteile im Einstellungsverfahren beseitigen. Die Realität scheint jedoch anders auszusehen.
Experten warnen, dass KI-gestützte Screening-Tools qualifizierte Bewerber fälschlicherweise aussortieren und so das Gegenteil des erhofften Effekts bewirken könnten.
Ein markantes Beispiel ist der Fall der britischen Make-up-Künstlerin Anthea Mairoudhiou, die während der Pandemie von ihrem Arbeitgeber aufgefordert wurde, sich neu zu bewerben und dabei durch ein KI-Programm, HireVue, bewertet wurde.
Trotz guter Leistungen in der Kompetenzbewertung führte die schlechte Bewertung ihrer Körpersprache durch das KI-Tool dazu, dass sie ihren Job verlor.
Systemische Mängel und Diskriminierung
Die Probleme reichen von offensichtlichen Diskriminierungen wie Altersdiskriminierung und Sexismus bis hin zu subtileren Verzerrungen.
KI-Systeme, die auf den Lebensläufen aktueller Mitarbeiter trainiert wurden, bevorzugen Kandidaten mit ähnlichen Hintergründen oder Interessen, was zu einer systematischen Benachteiligung führen kann.
So wurden Bewerber, die „Softball“ statt „Baseball“ oder „Basketball“ als Hobby angaben, abgewertet.
KI-Rekrutierungstechnologien – Fluch oder Segen?
Die zunehmende Verwendung von KI in Rekrutierungsprozessen wirft wichtige Fragen hinsichtlich Fairness und Transparenz auf. Während die Technologie das Potenzial hat, Prozesse zu beschleunigen und effizienter zu gestalten, zeigen Beispiele wie das von Anthea Mairoudhiou, dass ohne sorgfältige Überwachung und Anpassung, die Risiken der Verzerrung und Diskriminierung erheblich sind.
Sandra Wachter, Professorin für Technologie und Regulierung am Oxford Internet Institute, betont die Notwendigkeit, KI fair und unvoreingenommen zu gestalten.
Mit dem von ihr mitentwickelten “Conditional Demographic Disparity” Test, einem öffentlich zugänglichen Werkzeug, können Unternehmen Bias in ihren Algorithmen erkennen und korrigieren.
Dies zeigt einen Weg auf, wie KI im Rekrutierungsprozess gerechter gestaltet werden kann.
Strategien zur Optimierung von KI im Rekrutierungsprozess
Um die Effizienz und Fairness von KI-gestützten Rekrutierungssystemen zu verbessern, gibt es mehrere Ansätze, die Entwickler, Unternehmen und regulatorische Instanzen in Betracht ziehen können:
1. Diversifizierte Trainingsdaten
Die Verwendung von diversifizierten Trainingsdaten kann helfen, Vorurteile zu minimieren. Dies bedeutet, dass die Daten, die zum Trainieren der KI verwendet werden, aus einer breiten Palette von Quellen stammen sollten, um ein umfassenderes Bild potenzieller Kandidaten zu zeichnen.
2. Transparente Algorithmen
Mehr Transparenz darüber, wie Entscheidungen getroffen werden, kann Unternehmen dabei helfen, Vertrauen bei Bewerbern aufzubauen und gleichzeitig die Möglichkeit zu bieten, Entscheidungsprozesse zu überprüfen und zu optimieren.
3. Regelmäßige Überprüfung und Anpassung
KI-Systeme sollten regelmäßig auf ihre Fairness und Effektivität hin überprüft werden. Dies beinhaltet die Analyse der Performance der eingestellten Kandidaten im Vergleich zu den Vorhersagen der KI sowie die Anpassung der Algorithmen basierend auf diesen Erkenntnissen.
4. Einbindung von Menschen
KI sollte nicht isoliert eingesetzt werden. Die Einbindung von HR-Experten in den Bewertungsprozess kann dazu beitragen, die Empfehlungen der KI zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie sinnvoll sind.
Menschliche Intuition und Urteilsvermögen können dabei helfen, die Lücken zu füllen, die die KI möglicherweise übersehen hat.
5. Ethikrichtlinien und Regulation
Die Entwicklung und Implementierung ethischer Richtlinien und regulatorischer Standards für den Einsatz von KI im Rekrutierungsprozess kann dazu beitragen, Missbrauch zu verhindern und die Rechte der Bewerber zu schützen.
6. Bias-Erkennungswerkzeuge
Der Einsatz von Werkzeugen und Techniken zur Erkennung und Korrektur von Bias in KI-Systemen kann dabei helfen, systematische Fehler zu identifizieren und zu beheben, bevor sie sich negativ auf den Rekrutierungsprozess auswirken. Beispielsweise der “Conditional Demographic Disparity” Test kann hier angewandt werden.
7. Förderung von Vielfalt und Inklusion
Unternehmen sollten aktiv Strategien zur Förderung von Vielfalt und Inklusion in ihren Rekrutierungsprozessen verfolgen. Dies kann auch bedeuten, KI-Systeme so zu gestalten, dass sie Vielfalt als einen Wert erkennen und fördern.
Durch die Kombination dieser Ansätze können Unternehmen die Vorteile von KI im Rekrutierungsprozess maximieren, während sie gleichzeitig die Risiken minimieren und eine gerechtere, inklusivere Arbeitsumgebung schaffen.
Die Zukunft der KI-gestützten Rekrutierung
Die Integration von KI in den Rekrutierungsprozess ist ein zweischneidiges Schwert.
Einerseits bietet sie die Möglichkeit, Prozesse zu optimieren und theoretisch objektiver zu gestalten. Andererseits birgt sie das Risiko, Diskriminierung zu verschärfen und qualifizierte Kandidaten auszuschließen.
Eine sorgfältige Überprüfung und Anpassung der verwendeten Algorithmen ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Technologie allen Bewerbern gerecht wird.