Large Language Models erklärt: Wie LLMs Deinen Alltag vereinfachen
Montagmorgen, 9:00 Uhr. Du schreibst eine E-Mail an einen wichtigen Kunden, aber die Worte wollen einfach nicht fließen. Du öffnest ChatGPT, beschreibst kurz Dein Anliegen – und 10 Sekunden später hast Du eine perfekt formulierte, professionelle E-Mail vor Dir– als hätte ein erfahrener Kollege ihn verfasst.
Was steckt hinter dieser „Magie“?
Die Antwort: Ein Large Language Model (LLM).
Diese KI-Systeme sind der Motor hinter ChatGPT, Claude, DeepSeek und dutzenden anderen Tools, die gerade die Art verändern, wie wir arbeiten, lernen und kommunizieren.
Du musst kein Technik-Experte sein, um zu verstehen, wie LLMs funktionieren und wie Du sie für Dich nutzen kannst.
In diesem Artikel schauen wir hinter die Kulissen. Du erfährst:
Was ist ein Large Language Model? – Die technische Grundlage
Ein Large Language Model lernt nicht nach Regeln, sondern aus Beispielen. Es hat aus riesigen Mengen an Texten – Büchern, Artikeln, Webseiten, Code – gelernt, wie Menschen schreiben, fragen und antworten.
Dabei speichert es keine Inhalte ab. Stattdessen erkennt es Muster: Welche Wörter tauchen häufig zusammen auf? Wie werden Sätze strukturiert? Wie antwortet man auf eine Anfrage, die mit „Erkläre mir“ beginnt?
Auf dieser Grundlage berechnet das Modell, welche Antwort am wahrscheinlichsten sinnvoll ist – Schritt für Schritt, Wort für Wort.
Du kennst das vielleicht: Du tippst eine Nachricht auf dem Handy und es schlägt automatisch das nächste Wort vor. LLMs funktionieren ähnlich – nur tausendmal intelligenter.
Es „weiß“ nicht, ob etwas stimmt. Es „weiß“ auch nicht, was es sagt. Es nutzt lediglich statistische Zusammenhänge, die es während des Trainings gelernt hat.
Das Ergebnis ist ein System, das flüssig schreibt, komplexe Fragen beantworten kann und kreative Texte generiert – ohne jemals bewusst zu denken.
Wie verarbeitet ein LLM Text? – Die Welt der Tokens
Bevor das LLM arbeiten kann, muss es Deinen Text „verstehen“. Dafür zerlegt es jeden Text in kleine Bausteine – sogenannte Tokens.
Faustregel: 1 Token ≈ 4 Buchstaben
Beispiel:
- „Hallo Welt“ → wird zu: [„Hallo“, “ Welt“] (2 Tokens)
- „Künstliche Intelligenz“ → wird zu: [„Künst“, „liche“, “ Intel“, „ligenz“] (4 Tokens)
Ein LLM zerlegt also Texte in Token und jeder Token wird dann durch eine eindeutige Nummer ersetzt, die im Modell festgelegt ist.
Die Umwandlung in Tokens und deren Codierung als Zahlen ist der erste Schritt, um Sprache in ein Format zu bringen, das für das neuronale Netzwerk nutzbar ist.
Diese Tokenisierung geschieht innerhalb von Sekundenbruchteilen – unsichtbar, aber entscheidend. Sie bestimmt, wie viel Text das Modell auf einmal verarbeiten kann, und beeinflusst auch die Geschwindigkeit und die Kosten, besonders bei Cloud-APIs, die pro Token berechnen.
Später, beim Antworten, läuft der Prozess umgekehrt ab: Das Modell generiert Tokens, wandelt sie zurück in lesbaren Text – und liefert Dir die Antwort, ohne dass Du je die Zwischenschritte siehst.
Wie werden Large Language Models „klug“? Der Trainingsprozess
Ein Large Language Model kommt nicht als fertig denkendes System auf die Welt. Es durchläuft einen mehrstufigen Lernprozess, der seinem Verhalten erst die Qualität verleiht, die wir heute von KI-Tools wie ChatGPT oder Copilot erwarten.
Dieser Prozess besteht aus drei wesentlichen Phasen: Pretraining, Finetuning und Reinforcement Learning from Human Feedback. Jede baut auf der vorherigen auf – und jede verändert, wie das Modell antwortet.
💡 Dauer: Wochen bis Monate
💡 Ziel: Sprache und Welt verstehen lernen
💡 Fokus: Menschliche Präferenzen
💡 Ergebnis: Bessere, nützlichere Antworten
💡 Prozess: Bewerten → Belohnen/Bestrafen → Verbessern
💡 Effekt: KI wird immer menschenfreundlicher
1. Pretraining: Lernen aus riesigen Textmengen
Im ersten Schritt liest das Modell Billionen von Wörtern aus Büchern, Artikeln, Webseiten, wissenschaftlichen Texten und Programmcode. Es versteht dabei nichts im menschlichen Sinne, aber es erkennt Muster: Welche Wörter folgen häufig aufeinander? Wie sind Sätze strukturiert? Wie beginnen oder enden typische Erklärungen?
Das Ziel ist einfach: Das Modell soll lernen, wahrscheinliche Fortsetzungen zu erkennen. Wenn es später den Satz „Die Erde dreht sich um die…“ sieht, kann es „Sonne“ vorschlagen – nicht weil es Physik versteht, sondern weil dieser Zusammenhang in Millionen Texten vorkam.
Am Ende dieser Phase kann das Modell flüssig schreiben, aber die Antworten sind oft ungenau, unstrukturiert oder unangemessen.
2. Finetuning: Lernen durch Beispiele
Um das Modell hilfreicher zu machen, wird es mit konkreten Frage-Antwort-Paaren trainiert. Ein Entwickler gibt beispielsweise ein:
Eingabe: „Erkläre, warum der Himmel blau ist.“
Ausgabe: Eine klare, verständliche Erklärung auf mittlerem Niveau.
Das Modell lernt so, nicht nur korrekt zu antworten, sondern auch im richtigen Ton, mit angemessener Länge und Struktur. Es wird darauf trainiert, Fragen zu erkennen, Anweisungen zu befolgen und typische Nutzerabsichten zu verstehen.
Das Ergebnis ist ein Modell, das nicht nur sprachlich sicher ist, sondern auch weiß, was von ihm erwartet wird.
3. Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF): Lernen durch Bewertung
Im letzten Schritt wird das Modell darin geschult, gute von schlechten Antworten zu unterscheiden – basierend auf menschlichem Urteil.
Dazu sehen Testpersonen mehrere Antworten auf dieselbe Frage und bewerten sie: Welche ist klarer? Welche ist hilfreicher? Welche wirkt natürlicher? Das Modell erhält dafür ein Feedback-Signal und passt seine internen Gewichte an – so, wie man durch Lob oder Kritik lernt, sich zu verbessern.
Auf diese Weise lernt es, nicht nur korrekt zu sein, sondern auch hilfreich, ehrlich und harmlos zu antworten – Werte, die nicht aus den Trainingsdaten allein hervorgehen.
Ohne diesen Prozess würde ein LLM zwar flüssig schreiben, aber oft unhöflich, irreführend oder unpassend reagieren.
Die Grenzen von LLMs: Warum KI auch falsch liegen kann – und warum das normal ist
Trotz ihrer beeindruckenden Fähigkeiten haben Large Language Models klare Grenzen. Sie wirken oft, als verstünden sie, was sie sagen – doch dieses Verständnis ist nur vorgespiegelt. Ihre Antworten basieren nicht auf Wissen, Bewusstsein oder Absicht, sondern auf Mustern, die sie während des Trainings gelernt haben.
Drei wesentliche Einschränkungen prägen die Nutzung von LLMs – und wer sie kennt, kann die Technologie bewusster und effektiver einsetzen.
1. Sie erfinden Dinge – sogenannte Halluzinationen
Ein LLM versucht fast immer, eine Antwort zu geben – auch dann, wenn es unsicher ist. Statt zu sagen „Das weiß ich nicht“, sucht es nach dem wahrscheinlichsten Muster und generiert eine plausible Antwort. Das kann dazu führen, dass es falsche Namen, Daten oder Zitate erfindet.
Stell dir vor, du fragst:
„Wer hat 2023 den Nobelpreis für Literatur erhalten?“
Das Modell kennt die Antwort vielleicht nicht – aber es kennt typische Namensmuster, Länder und Themen der letzten Jahre. Also kombiniert es Muster und liefert einen Namen, der „passen könnte“.
Das Ergebnis klingt überzeugend – ist aber falsch.
Solche Halluzinationen sind kein Fehler im engeren Sinne. Sie sind eine Folge der Funktionsweise: Das Modell optimiert für Plausibilität, nicht für Richtigkeit.
2. Sie vergessen, was vorher stand – die Begrenzung der Kontextlänge
Ein LLM behält nicht beliebig lange im Gedächtnis, worüber es gerade spricht. Jedes Modell hat eine maximale Kontextlänge, oft angegeben in Tokens – beispielsweise 8.000 oder 32.000.
Das bedeutet: Wenn du in einem Chat sehr lange Texte einfügst, viele Fragen stellst oder eine lange Unterhaltung führst, erreicht das Modell irgendwann seine Kapazität. Alles, was darüber hinausgeht, wird abgeschnitten – der Anfang der Konversation ist dann „vergessen“.
Das ist vergleichbar mit einem Gespräch, bei dem du nur die letzten zehn Sätze im Kopf behältst. Was davor war, ist weg – auch wenn es wichtig war.
3. Sie verstehen Sprache nicht – sie rechnen mit ihr
Das wohl wichtigste Missverständnis: Ein LLM versteht keine Sprache. Es hat keine Vorstellung von Bedeutung, Emotion oder Wahrheit. Es erkennt Muster in Texten, berechnet Wahrscheinlichkeiten und setzt Sätze fort – ohne jemals zu begreifen, was diese Worte bedeuten.
Wenn es sagt: „Ich verstehe dein Anliegen“, dann ist das keine Selbstaussage – es ist ein Muster, das in vielen hilfreichen Antworten vorkommt.
Diese Einschränkung ist kein Mangel, sondern Teil der Natur des Systems. Es macht LLMs leistungsfähig – aber auch anfällig für Fehlinterpretationen, wenn man ihnen mehr zuschreibt, als sie leisten können.
Wer diese Grenzen kennt, nutzt LLMs nicht als Wissensquelle erster Wahl – sondern als leistungsstarkes Werkzeug, das kritisch begleitet werden muss.
Fazit: LLMs verstehen, um sie sinnvoll zu nutzen
Large Language Models sind beeindruckende Werkzeuge, die unsere Art zu schreiben, zu recherchieren und zu arbeiten verändern. Sie können Texte verfassen, Fragen beantworten und komplexe Zusammenhänge erklären – oft mit erstaunlicher Flüssigkeit.
Aber sie tun dies nicht aus Verständnis, sondern aus Mustern.
Nicht aus Wissen, sondern aus Wahrscheinlichkeiten.
Nicht aus Absicht, sondern aus Berechnung.
Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, aus riesigen Datenmengen zu lernen und Muster der Sprache nachzuahmen. Ihre Grenzen zeigen sich, wenn sie Dinge erfinden, Kontexte vergessen oder Antworten geben, die plausibel klingen, aber falsch sind.
Die eigentliche Intelligenz liegt daher nicht im Modell – sondern in der Art und Weise, wie wir es nutzen. Wer versteht, wie ein LLM funktioniert, welche Schritte es durchlaufen hat und wo seine Grenzen liegen, kann gezielter fragen, kritischer prüfen und effizienter arbeiten.
LLMs ersetzen keine menschliche Urteilskraft. Aber sie können sie unterstützen – wenn wir sie nicht wie Zauberboxen behandeln, sondern wie das, was sie sind: leistungsstarke, aber fehlbare Systeme, die auf unserer Aufmerksamkeit und unserem Denken aufbauen.
